Was das Streamen oder Herunterladen von urheberrechtlich geschützten Online-Inhalten angeht, hat der Europäische Gerichtshof deutlich gemacht, dass es für ihn keinen Unterschied gibt. Beim Überfliegen des letzten Beschlusses zeigt sich schnell, dass der Gerichtshof keine Unternehmen mag, die Geräte verkaufen, die für einen einfachen Zugang zu zweifelhaften Streaming-Webseiten konfiguriert sind. Beim genaueren Lesen tauchen viele Fragen zur zukünftigen Haftbarkeit von Personen auf, die diese beliebten Geräte nutzen und sich urheberrechtlich geschütztes Material ansehen. Die nächsten Wochen und Monate – zusammen mit einer Armee von Anwälten – werden uns die Antwort zeigen.
Schiffbruch für niederländische Piraten
Der Europäische Gerichtshof beschloss im April, dass es illegal ist, ein Mediaplayer-Gerät zu verkaufen, das konfiguriert wurde, um einfachen Zugang zu unerlaubten Streaming-Webseiten zu ermöglichen. Geräte dieser Art, die zusammen mit verschiedenen Streaming-Webseiten verwendet werden, sind der neueste heiße Trend der Online-Piraterie, weil sie es ermöglichen, dass man Inhalte direkt auf dem Fernseher streamen kann.
Der Gerichtsfall nahm den niederländischen E-Commerce-Store Filmspeler.nl (Filmabspieler) ins Visier, der die Geräte vermarktete, um einfach auf geschütztes Material zugreifen zu können – und sie dann mit vorinstallierten Links zu Streaming-Webseiten verkaufte.
Die Filmspeler-Strategie bezog sich auf „Kommunikation an die Öffentlichkeit“, die von der EU-Richtlinie zum Urheberrecht als Kombination aus Hardware und Software definiert wird, um Nutzern „direkten Zugang zu geschützten Werken zu geben, ohne dass die Genehmigung der Urheber vorliegt“.
Auch die Absicht und der Vorsatz der Geräteanbieter waren Faktoren bei der Entscheidung des Gerichts. Die Richter waren überzeugt, dass Filmspeler eindeutig von dem Geschäft profitierte und genau wusste, dass die Links zur Verletzung des Urheberrechts verwendet würden.
Der Unterschied liegt im Cache
Im Rahmen dieses Beschlusses entschied der Gerichtshof auch, dass die temporäre Reproduktion eines urheberrechtlich geschützten Werks (zum Beispiel durch Streaming) ohne Zustimmung des Urhebers nicht akzeptabel ist. Das war im Grunde genommen das „aus“ für die bisherige Unterscheidung zwischen Download – wo der Endnutzer die Dateien tatsächlich auf seinem Gerät hat – und Streaming – wo die Dateien nur vorübergehend in einem Zwischenspeicher abgelegt werden. Die Gleichsetzung von Download und Streaming ist durchaus nachvollziehbar, aber viele Fragen bezüglich der Haftbarkeit von Endnutzern bleiben unbeantwortet.
Immerhin ist es aktuell so, dass in Deutschland Strafzahlungen fällig sind und man in vielen anderen Ländern vor Gericht gestellt werden kann, wenn man Filesharing-Torrents nutzt, um urheberrechtlich geschütztes Material herunterzuladen – warum sollten diese Strafen nicht auch gelten, wenn man die gleichen Inhalte auf einer Streaming-Webseite ansieht? Und wie sieht es mit der Durchsetzung aus? Wie würde die Strafverfolgungsbehörden Nutzer finden, die nicht zugelassene Streaming-Webseiten besuchen? Und was passiert, wenn jemand ein VPN nutzt, um Inhalte zu verschlüsseln, die besuchten Adressen zu verstecken und seine IP-Adresse zu verbergen?
Player sind ein Problem
Mit Smart-TVs verbundene Set-Top-Boxen sind die Mediaplayer, die im Zentrum der Aufmerksamkeit standen. Diese Geräte – so klein wie ein Amazon Fire TV Stick – sind oft mit der Open-Source-Plattform Kodi ausgestattet, die dem Nutzer eine “3-Meter-Benutzeroberfläche“ bietet, was sie zum perfekten Tool macht, um auf die eigenen Musik- und Filmsammlungen zuzugreifen oder um Streaming-Webseiten zu besuchen, wo zusätzliche Medieninhalte genutzt werden können – ohne dass man auf den Komfort eines Smart-TVs verzichten muss.
Die Kodi-Plattform ist ein Problem für die Strafverfolgungsbehörden, denn sie läuft auf vielen Betriebssystemen. Das Kodi-Projekt und die XBMC Foundation bewerben sie zwar nicht als Möglichkeit, um sich geschützte Inhalte anzusehen, aber es gibt eine Reihe von Add-ons und Geräten von Drittanbietern, die genau das tun. Während manche Unternehmen wie Filmspeler das direkt taten, indem sie die Links auf den Geräten vorinstallierten, sind andere subtiler an die Sache herangegangen – wie eine schnelle Suche bei YouTube zeigt.
Willkommen bei den Pirateriekriegen 3.0
Das größte Problem ist nicht das Gerät, sondern wie die Kombination aus Hardware und Software genutzt wird, um Bezahlschranken und Urheberrechtsbeschränkungen zu umgehen. Die Strafverfolgungsbehörden glauben, dass ein neuer Krieg ausgebrochen ist. „Wenn man die altmodische Peer-to-Peer-Piraterie als Version 1.0 betrachtet und die illegalen Streaming-Webseiten als 2.0, dann stehen wir besonders im audiovisuellen Sektor aktuell vor Version 3.0, der Herausforderung durch illegale Streaming-Geräte“, sagte Stan McCoy, Präsident und Geschäftsführer der EMEA-Region der Motion Picture Association (MPA), vor Kurzem bei einer Konferenz in Russland.
Die Position, die die MPA vertritt, ist aus dem einfachen und offenen Zugang entstanden, den diese Streaming-Geräte bieten. Die Piraterie 1.0 mit den Torrent-Downloads über Peer-to-Peer-Netzwerke erforderte normalerweise einen Computer und einen Festplattenspeicher, während die Piraterie 2.0 bedeutete, dass Streaming-Webseiten einfach über Laptops und Mobilgeräte erreicht werden konnten. Jetzt sind wir bei der Piraterie 3.0 angekommen, wo Kodi auf den folgenden Geräten laufen kann: Android-Smartphones, Windows-Computer, Macs, iPhones und sogar auf einem Raspberry PI. Und die Inhalte können problemlos auf einem Smart-TV wiedergegeben werden.
Erste polizeiliche Maßnahmen
Direkt nach dem Beschluss des Gerichtshofs sind schon Veränderungen auf dem Markt erkennbar. Navi X, ein Kodi-Dienst mit Sitz in Israel, hat im Mai aufgrund von juristischem Druck den Betrieb eingestellt. Facebook, Ebay, und Amazon verbieten den Verkauf von Kodi-Boxen, die mit Links zu Streaming-Webseiten „ausgestattet“ sind. Es wurden außerdem bereits polizeiliche Maßnahmen gegen Streaming-Webseiten durchgeführt. Die Schweizer NAGRA hat Pläne, sich auf Piraten-Streams einzuschießen, die sich an die Kodi-Plattform anhängen. Und sogar bei Kodi wird geplant, Digitales Rechtemanagement (DRM) in die Plattform zu integrieren.
Aus der Perspektive des Endnutzers ist die Nutzung einer Kodi-Plattform zur Umgehung von Einschränkungen von urheberrechtlich geschützten Inhalten nicht risikofrei. Bisher gibt es keine Berichte von automatischen Warnungen/Strafgeldern an Kodi-Nutzer – so wie es bei Torrent-Nutzern in Deutschland der Fall ist – aber das könnte sich ändern.
Schauen Sie wieder mal rein! Wir informieren Sie auch in Zukunft über dieses Thema.
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